Was Nehlsen da gerade veranstaltet, fühlt sich an wie eine Reise zurück in vergangene Jahrzehnte – in eine Zeit, in der „die da oben“ noch genau bestimmten, wo ihre „Bediensteten“ zu stehen hatten: still, dankbar, fügsam. Und bloß nicht organisiert.
Der Müll gehört in die Tonne – und gleich daneben die Gewerkschaft?
Nehlsen hat genug. Nicht vom Müll, sondern von Verdi. Die Gewerkschaft sei „unvorbereitet, schlecht informiert, unzuverlässig“, heißt es in einem Statement. Und zack – schon spricht man nur noch mit dem Betriebsrat. Solange es ihn noch gibt – oder er noch geduldet wird. Als hätte man das Streikrecht ausradiert und die Geschichte der Arbeiterbewegung gleich mitentsorgt.
Das ist nicht nur ein Konflikt zwischen einem Unternehmen und einer Gewerkschaft – das ist ein Anschlag auf die kollektive Selbstachtung der Beschäftigten. Man möchte fast meinen: Nehlsen hält die Arbeitnehmer für sein Eigentum. Klingt übertrieben? Denk mal an die Wortwahl und das Verhalten:
- Kein Verdi mehr im Vokabular – völliger Ausschluss.
- Tarifvertrag? Abgelehnt – „wir sind kein öffentliches Unternehmen“. Als ob das ein Freifahrtschein wäre, Beschäftigtenrechte auszuhebeln. Gleichzeitig wird der Landkreis Cuxhaven als Gebühreneintreiber missbraucht – dabei schreibt jeder Handwerksbetrieb seine Rechnungen selbst und kümmert sich auch um deren Begleichung.
- Stattdessen: Betriebsrat als Hauslösung, mit dem man „vertrauensvoll“ zusammenarbeitet. Wohl dem, der sich seine Verhandlungspartner selbst aussuchen darf.
Der alte Geist: Besitz, Kontrolle, Gehorsam
Karl Marx hätte diesen Fall mit spitzem Bleistift seziert. Es geht hier nicht bloß um Löhne – es geht um Macht. Um Kontrolle über den Produktionsprozess und darum, wer eigentlich darüber bestimmt, was ein „fairer Lohn“ ist. Nehlsen hat kurzerhand entschieden: Wir machen das intern. Wir bestimmen die Bedingungen. Und wenn euch das nicht passt – Pech gehabt.
Das ist kein Feudalismus im klassischen Sinne. Aber das Denken dahinter hat etwas davon: Ein Herr entscheidet über das Wohl seiner Leute – und wehe, sie fordern etwas, was ihm nicht gefällt.
Paternalismus in Neonweste
Natürlich inszeniert sich Nehlsen gern als fürsorglicher Arbeitgeber – erst kürzlich wurde das Tabellenentgelt angehoben. Ein nettes Schaulaufen – nicht mehr und nicht weniger.
Ein wohlmeinender Patriarch im Warnwestenlook – solange keiner widerspricht. Hinter der leuchtenden Fassade steckt ein altes Muster: Kontrolle ausüben, Wohltaten verteilen – aber bitte keine Fragen, keine Forderungen, keine Widerrede. Wer zu laut wird, riskiert den Rausschmiss aus dem kuscheligen Betriebsfrieden.
Und die Politik?
Der Landkreis Cuxhaven? Der hält sich raus. Macht auf „nicht zuständig“. Aber wenn Du den Müll nicht mehr loswirst, sollst Du bitte schön nicht beim Amt anrufen. Willkommen in der neuen Servicewüste – privatisiert, anonymisiert, gewerkschaftsbefreit.
Der Landkreis wird nicht irgendwann vermitteln müssen – er muss sich jetzt seiner Verantwortung bewusst werden. Denn wenn ein privates Unternehmen sich als ungeeignet erweist, gehört diese grundlegende Daseinsvorsorge dorthin zurück, wo sie schon immer hingehört: in die öffentliche Hand. Es ist höchste Zeit, Nehlsen von dieser „schweren“ Aufgabe zu entbinden – im Interesse der Menschen und ihrer Würde.
Fazit:
Nehlsen will Ordnung, keine Auseinandersetzung. Ruhe im Karton, wie man früher sagte – Hauptsache, niemand stellt Fragen, niemand organisiert sich, niemand widerspricht. Diese Ruhe hat schon in der guten, alten Zeit nicht lange gehalten, wenn die Leute erst einmal gemerkt haben, wie viel ihnen da eigentlich genommen wird. Wer Arbeitskämpfe unterdrückt, sorgt nicht für Ruhe – sondern für wachsenden Frust. Eine gefährliche Illusion, genährt von einem Besitzdenken, das längst der Vergangenheit angehören sollte.
Wer heute Gewerkschaften auslädt, der wird morgen vielleicht feststellen, dass die Mülltonne nicht das Einzige ist, was überquillt. Denn wer heute die Stimme der Beschäftigten ignoriert, muss sich morgen das Echo gefallen lassen.
Zeit, aufzuräumen.