Es ist kaum zu übersehen: In Bremerhaven und dem Landkreis Cuxhaven scheint sich gerade ein Wettbewerb um die eindrucksvollste Demonstration gegen Rechts zu entwickeln. Kaum ein Wochenende vergeht, ohne dass Menschen mit Transparenten, Slogans und Musik auf die Straße gehen, um ein Zeichen für Demokratie und gegen den politischen Rechtsruck zu setzen. Besonders Beverstedt, das sonst eher für ländliche Ruhe bekannt ist, hat sich mit dem „Rudelklingen“ in der Feldhofhalle als neue Hochburg des politischen Aktivismus entpuppt.
Bremerhaven: Tausende gegen Rechts
Am vergangenen Sonntag versammelten sich laut Polizeiangaben bis zu 4.500 Menschen auf dem Theodor-Heuss-Platz in Bremerhaven. Die Organisatoren des „Aktionsbündnisses gegen Rechts – Bremerhaven bleibt bunt“ hatten zu dieser Kundgebung aufgerufen, und sie wurden nicht enttäuscht. Die Menge skandierte lautstark Parolen wie „Alle zusammen gegen Faschismus“ und zeigte sich einig darin, dass die Brandmauer gegen die AfD und deren politische Einflüsse verteidigt werden muss.
Doch nicht alle sind uneingeschränkt begeistert von dieser neuen Demonstrationskultur. Kritiker weisen darauf hin, dass es sich hier oft um ein gezielt gesteuertes „Haltung zeigen“ handelt, das maßgeblich von Medien und Politikern angefacht und orchestriert wird. Medien und Politiker tragen eine besondere Verantwortung, da sie nicht nur über die Proteste berichten, sondern sie durch gezielte Narrative erst in Gang setzen und verstärken. Während sich Demonstrierende als Verteidiger der Demokratie inszenieren, werden abweichende Meinungen nicht selten pauschal als Bedrohung dargestellt und deren Vertreter diffamiert.
Beverstedt: Demokratie mit Gesang und sichtbaren Zeichen verteidigen
Auch Beverstedt wollte sich nicht lumpen lassen und setzte mit dem „Rudelklingen“ ein musikalisches Statement. Doch nicht nur mit Gesang wurde Stellung bezogen: An der Fabian- und Sebastiankirche wurde ein großes Banner aufgehängt, das ein klares Bekenntnis zu Demokratie, Vielfalt und Menschenwürde ausdrückt. Diese Aktion, initiiert von der Kirche und lokalen Initiativen, wurde von vielen als notwendiger Impuls gewertet, auch wenn sie auf die Unterstützung und das wohlwollende Interesse politischer Akteure nicht verzichten konnte. Rund 200 Menschen folgten dem Aufruf von „Bündnis Zusammenhalt“ und „Omas gegen Rechts“ und sangen gemeinsam gegen rechte Ideologien an. Von Reinhard Meys „Über den Wolken“ bis zu Fools Gardens „Lemon Tree“ – die Liedauswahl war bunt und sollte zeigen, dass Zusammenhalt über politische Differenzen hinweg möglich ist.
Bürgermeister Guido Dieckmann zeigte sich erfreut über die Initiative: „Es ist wichtig, in diesen unruhigen Zeiten klare Zeichen zu setzen.“ Auch hier allerdings bleibt die Frage: Reicht es, mit Musik und Sprüchen „gegen Rechts“ zu sein, oder lenkt dies eher davon ab, dass die eigentlichen Ursachen des Rechtsrucks wie soziale Ungleichheit, steigende Lebenshaltungskosten, ungelöste Integrationsprobleme und Vertrauensverlust in die etablierten Parteien tiefergehende Lösungen erfordern??
Wie nachhaltig ist die Protestwelle?
So beeindruckend die Bilder von Menschenmassen mit Plakaten auch sein mögen – es bleibt abzuwarten, ob dieser Demonstrationseifer langfristig etwas bewirken kann oder ob er sich lediglich als kurzfristiger moralischer Reflex entpuppt, geschuldet der am 23.02. stattfindenden Bundestagswahl. Die Frage, warum rechte Parteien in Deutschland überhaupt Zulauf haben, wird auf der Straße oft nur mit Plakatslogans beantwortet. Wer sich ernsthaft mit der Entwicklung auseinandersetzen will, muss auch unbequeme Fragen zu sozialer Ungleichheit, Migrationspolitik und politischer Glaubwürdigkeit stellen.
Dennoch bleibt festzuhalten: Bremerhaven, Beverstedt und das gesamte Cuxland zeigen, dass sie nicht schweigend zuschauen wollen. Doch dieser Protest allein reicht nicht aus. Die Politik muss endlich klare Antworten auf die drängenden sozialen und wirtschaftlichen Probleme liefern, die den Nährboden für den Rechtsruck bilden. Ohne entschlossene Maßnahmen gegen soziale Ungleichheit, steigende Lebenshaltungskosten und eine verfehlte Integrationspolitik bleibt der Demonstrationseifer ein symbolischer Akt ohne nachhaltige Wirkung.