Berufsverbote in Deutschland: Staatsloyalität statt Meinungsfreiheit?

„Kein Platz für kritische Köpfe? – Eine angehende Lehrerin wird wegen ihrer politischen Haltung vom Schuldienst ausgeschlossen.“ Erstellt mit DALL-E

Es ist ein Schlag ins Gesicht der Demokratie: Die angehende Lehrerin Lisa Poettinger darf ihr Referendariat in Bayern nicht antreten. Der Grund? Ihre politischen Ansichten und ihr Engagement im Klimaschutz. Das bayerische Kultusministerium wirft ihr mangelnde Verfassungstreue vor, weil sie sich in antikapitalistischen Kreisen bewegt und sich kritisch gegen das bestehende Wirtschaftssystem äußert. Es ist ein modernes Berufsverbot, das an dunkle Zeiten der Bundesrepublik erinnert.

Der Fall Poettinger: Politische Gesinnung als K.O.-Kriterium

Poettingers Engagement für den Klimaschutz ist unbestritten. Doch das Kultusministerium argumentiert, dass ihre Teilnahme am „Offenen Antikapitalistischen Klimatreffen München“ und ihre Aussagen in sozialen Medien nicht mit der „besonderen politischen Treuepflicht“ von Beamt*innen vereinbar seien. Insbesondere die Verwendung von Slogans wie „Klimaschutz ist Klassenkampf“ oder „System Change! Not Climate Change!“ sei ein Zeichen ihrer mangelnden Loyalität gegenüber der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.

Das ist ein juristisch fragwürdiges Argument. Denn das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, dass das Grundgesetz keine spezifische Wirtschaftsordnung vorschreibt. Kapitalismuskritik ist also grundgesetzkonform – dennoch wird sie hier zum Ausschlusskriterium gemacht. Wer das System hinterfragt, wird aus dem Staatsdienst verbannt. Ist das noch Demokratie?

Berufsverbote: Eine alte Praxis in neuer Hülle

Der Fall Poettinger reiht sich in eine lange Liste von Berufsverboten in Deutschland ein. Bereits in den 1970er Jahren wurden mit dem sogenannten »Radikalenerlass« tausende Linke aus dem Staatsdienst ausgeschlossen, weil sie sich in als „verfassungsfeindlich“ eingestuften Organisationen engagierten. Lehrer*innen, Postboten, Verwaltungsangestellte – sie alle verloren ihre Jobs oder durften sie gar nicht erst antreten. Das Argument war immer das gleiche: Zweifel an der Verfassungstreue.

Heute gibt es keine offenen »Radikalenerlasse« mehr, doch die Praxis hat sich kaum geändert. Wer in linken Kreisen aktiv ist, muss damit rechnen, von staatlichen Stellen auf eine schwarze Liste gesetzt zu werden. Während in Bayern Klimaschützer*innen als Bedrohung gelten, dürfen AfD-nahe Beamte oft ungestört weiterarbeiten. Doppelmoral par excellence!

Freiheit nur für die Staatsgetreuen?

Das Berufsverbot gegen Lisa Poettinger zeigt, dass Meinungsfreiheit in Deutschland nur so lange gilt, wie sie den staatlichen Autoritäten nicht missfällt. Wer die falschen Begriffe benutzt, wer Kapitalismus kritisiert oder sich gegen rechtsextreme Strukturen engagiert, wird aus dem Staatsdienst gedrängt. Dabei sollte eine Demokratie gerade von kritischen Stimmen profitieren, nicht sie unterdrücken.

Wenn dieser Trend nicht gestoppt wird, droht Deutschland in alte Muster zurückzufallen. Politische Säuberungen im Staatsdienst erinnern an Zeiten, die wir längst überwunden glaubten. Der Fall Poettinger ist ein Weckruf: Wer demokratische Werte wirklich verteidigen will, muss auch für die Meinungsfreiheit derer einstehen, die den Status quo hinterfragen.

Lisa Poettinger wird gegen das Verbot klagen. Doch die Frage bleibt: Wie viele kritische Stimmen müssen noch verstummen, bevor wir aufwachen?

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