Es ist kein gutes Gefühl, das sich dieser Tage in mir breitmacht. Ein Gefühl, das mich an längst vergangen geglaubte Zeiten erinnert. Und je tiefer ich darüber nachdenke, desto mehr drängt sich mir ein erschreckender Gedanke auf: Wir stehen womöglich näher an einem atomaren Weltkrieg als je zuvor seit 1945. Ja – näher noch als zur Zeit der Kuba-Krise 1962. Näher als in jenen Tagen 1983, als die Raketen in Westeuropa aufgestellt wurden und die Welt den Atem anhielt.
Damals hatte man – trotz allem – Glück. Und mehr als das: Es gab ein paar klarsichtige Köpfe auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs. Männer wie Kennedy und Chruschtschow, später Kohl und Honecker, die trotz aller Unterschiede wussten: Wer die Welt abfackelt, gewinnt keinen Sieg, sondern nur Asche.
Heute? Fehlanzeige.
Früher: Gleichgewicht der Kräfte – heute: Gleichgültigkeit der Köpfe
In den 60er Jahren war es das militärische Gleichgewicht zwischen Ost und West, das zur Mäßigung zwang. Die Sowjetunion hatte aufgeschlossen, das Prinzip der »gegenseitig gesicherten Zerstörung« hielt – so zynisch es klingt – die Welt stabil. Aus dieser Realität heraus entwickelte sich sogar ein Konzept: Abrüstung und Verteidigung zusammendenken. Ein Konzept, das heute nicht einmal mehr belächelt wird – es wird einfach ignoriert.
In den 80er Jahren war es die DDR – nicht selten gegen den Widerstand in Moskau –, die den Gesprächsfaden nicht abreißen ließ. Honecker schrieb am 5. Oktober 1983 an Helmut Kohl und sprach von einer »Koalition der Vernunft«. Damals wurde noch argumentiert, abgewogen, gesucht – nicht nach Vorherrschaft, sondern nach Sicherheit.
Und heute? Wer heute einen Appell für Frieden wagt, wird zum Ziel massiver Angriffe. Das kürzlich veröffentlichte SPD-Manifest? Eine Ausnahmeerscheinung. Und schon dafür hagelt es Diffamierungen. Der Kanzler nennt seine Kritiker »Drecksarbeiter«, und die Diplomatie? Verkommt zur Fußnote, während Kriegsminister sich zu Außenministern mausern.
Weltkrieg à la carte
Was im Moment passiert, hat etwas Beunruhigendes. Im Weißen Haus ein Präsident, der auf die Frage, ob er den Iran angreifen werde, antwortet: »Ich kann es tun. Vielleicht tue ich es auch nicht.«
Entschuldige mal: So spricht man über den letzten Keks in der Dose – aber nicht über einen möglichen Weltkrieg.
Währenddessen in Berlin: Man trifft sich – ohne große Bedeutung, wie man selbst sagt – mit Vertretern aus London, Paris, Teheran. Und dann? Nichts. Nur Armin Laschet weiß: »Entscheidend sind die USA.« Ich weiß nicht, was schlimmer ist: Dass er damit recht hat – oder dass er es so schulterzuckend sagt.
Der Osten warnt – der Westen schläft
Aus Moskau und Beijing kommen hingegen klare, nüchterne Töne. Das russische Außenministerium warnt vor einem nuklearen Abgleiten – und sieht den Hauptverantwortlichen in Israel. Xi Jinping telefoniert mit Putin und fordert öffentlich ein Ende der Gewalt. Ob man diesen Staaten politisch traut oder nicht – ihre Sprache ist in diesen Tagen bedenklich vernünftiger als das, was aus Berlin, Paris oder Washington kommt.
Die Ironie der Geschichte? Der »freie Westen« wirkt heute unfreier und irrationaler als je zuvor. Gefangen im Reflex, alles mit Härte zu beantworten. Unfähig, innezuhalten.
Fazit: Wenn Köpfe versagen, hilft nur noch das Kräfteverhältnis
Ich wünsche mir Stimmen der Vernunft zurück. Menschen, die sich trauen, zu sagen: Stopp! Doch ich bin nicht naiv. Sollte die Welt diesmal dem atomaren Inferno noch einmal entgehen, dann nicht, weil unsere Regierenden das Richtige tun. Sondern weil sich die Kräfte auf dem Globus verschieben – und die USA eben nicht mehr schalten und walten können, wie sie wollen.
Das ist kein Trost. Aber vielleicht eine Hoffnung.
Und an alle, die sich über Friedensinitiativen lustig machen: Euer Zynismus ist kein Zeichen von Intelligenz – sondern von innerer Leere.