Manchmal fragt man sich, ob Journalisten wirklich nicht verstehen, worum es geht, oder ob sie bewusst mit Nebelkerzen werfen, um die Debatte in ihrem Sinne zu verzerren. Ein neuer Beitrag ist ein Paradebeispiel für eine alte Kapitalistentrickserei: Erst lobt er den Kapitalismus für seine vermeintlichen Errungenschaften, nur um dann den Sozialismus mit ein paar gezielten Negativbeispielen als Totgeburt hinzustellen. Wer so argumentiert, spielt ein falsches Spiel.
Die Methode: Erst Zuckerbrot, dann Peitsche
Er beginnt seinen Artikel mit der altbekannten Litanei: Der Kapitalismus habe Wohlstand gebracht, Innovation gefördert und die Welt verändert. Das ist natürlich eine verkürzte Wahrheit. Ja, es gibt technische Fortschritte, es gibt Märkte, die funktionieren – aber zu welchem Preis? Soziale Ungleichheit, Umweltzerstörung, Ausbeutung? Kein Wort dazu. Stattdessen wird ein glorifiziertes Bild gezeichnet, das sich wie ein Werbeprospekt der freien Marktwirtschaft präsentiert.
Dann folgt der Trick: Hat er erst einmal den Kapitalismus als alternativlos dargestellt, geht es an die Zerstörung des Sozialismus. Natürlich nicht mit einer fairen Analyse, sondern mit den immer gleichen Scheinargumenten: Planwirtschaft sei ineffizient, sozialistische Staaten seien gescheitert, der Mensch brauche Anreize. Als ob es keinen dritten Weg gäbe, als ob jedes sozialere Wirtschaftssystem sofort in zentralistischer Planwirtschaft enden würde.
Die manipulative Rhetorik
Er setzt auf eine Technik, die in der politischen Meinungsmache oft genutzt wird: Erst schafft er ein scheinbares Gleichgewicht – „Der Kapitalismus hat Stärken, aber …“ –, dann dreht er den Spieß um und nutzt extreme Beispiele, um den Sozialismus zu diskreditieren. Statt sich mit realen Alternativen oder gemischten Modellen auseinanderzusetzen, schiebt er den Sozialismus in eine Schublade, aus der er nur als gescheitertes Experiment herauskommen kann.
Das ist nicht nur unredlich, sondern auch durchschaubar. Wer so argumentiert, hat entweder keine Lust, sich ernsthaft mit anderen Konzepten zu befassen, oder verfolgt eine ganz bestimmte politische Agenda.
Was er verschweigt
Was in seiner Argumentation fehlt, ist offensichtlich: Die kapitalistische Realität, die nicht nur Gewinner, sondern auch massenhaft Verlierer produziert. Der Markt reguliert sich eben nicht von selbst, und ohne staatliche Eingriffe wären wir längst in einem Chaos aus Monopolen und Ungleichheit versunken. Die europäischen Sozialstaaten sind der beste Beweis dafür, dass es funktionierende Alternativen gibt, die Wohlstand mit sozialer Absicherung verbinden.
Aber darauf lässt sich der Journalist nicht ein. Er bleibt lieber beim alten Trick: Kapitalismus loben, Sozialismus diffamieren. Wer das noch ernst nimmt, sollte dringend anfangen, selbst zu denken. Denn genau das scheint das größte Problem solcher Meinungsmacher zu sein: Sie verlassen sich darauf, dass ihre Leser nicht genauer hinschauen.