Schluss mit dem Altenbashing: Wer jahrzehntelang gearbeitet hat, ist kein Drückeberger

Senior in Arbeitskleidung hilft im Alltag einer Pflegeeinrichtung.
Symbolbild: Älterer Mensch im Pflegeberuf – engagiert, gebraucht, gewürdigt | Bildidee gemeinsam entwickelt mit ChatGPT (OpenAI), umgesetzt nach redaktionellem Konzept von Carsten Zinn.

Ein Kommentar zur Debatte um die geburtenstarken Jahrgänge, Renten und gesellschaftliche Verantwortung

In jüngster Zeit häufen sich mediale Kampagnen, in denen ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – insbesondere die geburtenstarken Jahrgänge – als Belastung dargestellt werden. Der jüngste Aufreger: Eine „Studie“ des unternehmensnahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), die Menschen, die nach Jahrzehnten der Arbeit in Rente gehen, als Drückeberger bezeichnet. Es ist eine moralisch wie sachlich fragwürdige Attacke auf eine ganze Generation.

Jahrzehnte geleistet – und jetzt als Ballast abgestempelt?

Viele dieser angeblichen „Drückeberger“ haben bereits mehr als 40 Jahre lang gearbeitet. Sie haben Steuern und Sozialabgaben gezahlt, Kinder großgezogen, sich gesellschaftlich engagiert – ob als ehrenamtliche Feuerwehrleute, Schöffen oder Betriebsräte. Und nicht wenige von ihnen stehen auch nach dem Rentenbeginn weiterhin im Berufsleben, weil sie sich einbringen wollen – oder müssen.

Dass Menschen nach einem erfüllten Erwerbsleben in die wohlverdiente Rente gehen, ist kein gesellschaftlicher Missstand, sondern Ausdruck eines sozialen Fortschritts, der hart erkämpft wurde.

Die „Studie“, die keine ist

Die IW-Veröffentlichung, auf die sich diverse Medien ungeprüft stützen, bedient sich manipulativer Begriffe. Die Rede ist von „Mitnahmeeffekten“, von Menschen, die sich angeblich „vorzeitig“ aus dem Erwerbsleben verabschieden – obwohl sie entweder die geforderten 45 Versicherungsjahre nachweisen können oder erhebliche Rentenabschläge in Kauf nehmen. Wer so rechnet, ignoriert nicht nur das Rentenrecht, sondern auch die Lebensrealität jener, die oft körperlich belastende Tätigkeiten ausgeführt haben.

Hinzu kommt: Die IW-Zahlen basieren auf OECD-Daten, die ausdrücklich als nicht vergleichbar gekennzeichnet sind. Trotzdem machten Boulevardmedien und abendliche Nachrichtensendungen daraus die Story vom „Null-Bock-Land“ Deutschland.

Ein gefährliches Narrativ

Die Debatte zielt nicht auf Erkenntnis oder Reformvorschläge, sondern auf Spaltung. Sie schafft ein Bild vom angeblich faulen Rentner, der der arbeitenden Jugend auf der Tasche liegt. Dabei ist die Realität eine ganz andere: Die meisten Rentnerinnen und Rentner in Deutschland erhalten weniger als 1.800 Euro im Monat. Viele müssen dazuverdienen, nicht aus Langeweile, sondern aus schierer Notwendigkeit.

Die gesellschaftlichen Ursachen für die angespannte Rentenlage liegen jedoch woanders: in zu niedrigen Löhnen, in prekären Beschäftigungsverhältnissen, in der Ausweitung von Leiharbeit, Minijobs und befristeten Verträgen. Und in einer Beitragsbemessungsgrenze, die hohe Einkommen schützt, während normale Erwerbsbiografien kaum ausreichen, um im Alter würdevoll leben zu können.

Weiterarbeiten – aus Überzeugung oder aus Zwang?

Zahlreiche ältere Menschen arbeiten auch nach Erreichen des Rentenalters weiter – nicht, weil sie „Mitnahmeeffekte“ ausnutzen wollen, sondern weil sie gebraucht werden. Gerade in sozialen Berufen, im Gesundheitswesen oder im Ehrenamt ist ihr Engagement unverzichtbar.

Andere wiederum sehen sich aufgrund steigender Lebenshaltungskosten gezwungen, über die reguläre Altersgrenze hinaus tätig zu sein – eine stille Altersarmut, die in den Hochglanzzahlen der Wirtschaftslobby keinen Platz hat.

Eine Frage des Respekts

Eine Gesellschaft, die ihre älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger öffentlich diffamiert, verliert ihre moralische Mitte. Wer Jahrzehnte geleistet hat, verdient Anerkennung, keine Verachtung. Der soziale Zusammenhalt beruht auf gegenseitiger Achtung – zwischen den Generationen ebenso wie zwischen den sozialen Klassen.

Statt also Rentnerinnen und Rentner zu diffamieren, wäre es an der Zeit, sich um die eigentlichen Probleme zu kümmern: faire Löhne, gerechte Renten, eine solidarisch finanzierte Alterssicherung – und einen gesellschaftlichen Diskurs, der auf Respekt basiert, nicht auf Schuldzuweisungen.

Teilen auf:

Symbolträchtige Collage: Zwischen industrieller Rüstung und gesellschaftlicher Alternative – von Granaten zu Windrädern, von Konferenzraum zu Klassenzimmer.

Rüstungsfabrik als Zukunftsmodell? Ein gefährlicher Kurswechsel

„Hier ankern“ – und dann? Statt sichtbarer Angebote nur symbolischer Auftritt: Die PR-Kampagne für die Unterweser kämpft mit Gegenwind – und mit der eigenen Leere.

„Hier ankern“ – viel Wind, kein Hafen?

Patriot – mehr als nur ein Name? Die Grenzen zwischen Pathos und Pragmatismus verschwimmen oft schneller als erwartet

Patriot – zwischen Pathos und Pragmatismus

Mitten im Fokus: Ein Schlüsselbund auf Euro-Scheinen, klar eingefasst im orangefarbenen Rahmen der politischen Realität.

Bürgergeld unter Beschuss – Wie die politische Elite die Armen für ihren Wohlstand zahlen lässt

Generaldebatte im Bundestag 2025 – Zwischen Schlagworten und Stillstand: Das Titelbild zum Essay über eine aus den Fugen geratene politische Kultur.

„Lügenkanzler“ oder „Führungsnation“? – Die Generaldebatte als Spiegel einer entgleisten Politik

Einseitige Entlastung – die geplante Stromsteuer-Senkung kippt zugunsten der Industrie. Was bleibt für die Privaten?

Stromsteuer-Lüge entlarvt: Wer profitiert wirklich?

Politik erhöht Preise, Bevölkerung fragt: Und was ist mit unserem Geld?

Deutschlandticket: Inflationsausgleich nur für Preise? Dann bitte auch für alle Einkommen!

Wenn das Volk draußen bleibt: Eine Metapher für die Entfremdung zwischen Politik und Bürgern

Friedrich Merz und die CDU: Macht statt Mandat

Für eine Handvoll Euro weniger – oder: Wenn der Bauernverband auf die Pauke haut

Senior in Arbeitskleidung hilft im Alltag einer Pflegeeinrichtung.

Schluss mit dem Altenbashing: Wer jahrzehntelang gearbeitet hat, ist kein Drückeberger

Ein muskulöser Arm hält eine schwarze Lederpeitsche vor orangenem Hintergrund. Daneben steht in weißer Großschrift: „WOHLSTAND NACH MERZ – ODER: WENN DIE PEITSCHE DAS DENKEN ERSETZT.“

Wohlstand nach Merz – oder: Wenn die Peitsche das Denken ersetzt

Am Rande des Abgrunds – oder – Wo bleibt die Vernunft?

Zwei Müllwerker schuften im Hintergrund, während ein Anzugträger selbstzufrieden auf einem Berg aus Geld sitzt – mitten im Betriebsalltag. Die Botschaft: Wer profitiert, während andere den Dreck wegmachen, entscheidet auch, wer sprechen darf. Doch nur, wenn wir schweigen.

Wer heute schweigt, akzeptiert die Entsorgung von Mitbestimmung

Hinter verschlossenen Türen: Der Cuxland-Empfang und das Spiel der Eliten